Toleranz-Botschafter Fred Ohenhen unterstützt „Wir retten die Welt!Bist du dabei?“-Kampagne als Testimonial
Seit über 20 Jahren sorgt Fred Ohenhen durch interkulturelle Bildungsarbeit in Kindergärten und Schulen im Rahmen der Initiative „IKU-Spielend erleben“ dafür, dass Kindern und Jugendlichen Werte wie Offenheit, Toleranz und Respekt vermittelt werden. Für den gebürtigen Nigerianer, der seit 1989 in Österreich lebt, war es eine Selbstverständlichkeit die Bewusstseins-Kampagne des Social Business Hub Styria zu unterstützen. Im folgenden Gespräch spricht er über die Wichtigkeit von Mut zur Veränderung, was es braucht, um sich wo zuhause zu fühlen und wie es gelingt, Vorurteile abzubauen.
Warum ist Mut zur Veränderung in der heutigen Zeit besonders wichtig?
Ich glaube, dass Mut in allen Dingen, die man tut, sehr wichtig ist. Man muss sich einfach trauen, etwas Neues anzugehen. Wer es nicht wagt, kann auch nichts gewinnen. Man kann natürlich nicht immer gewinnen, aber auch aus Niederlagen kann man Motivation und Mut schöpfen, etwas Neues anzugehen.
Nach Österreich zu kommen, war von Ihnen auch ein mutiger Schritt. Sie stammen ursprünglich aus Nigeria und sind 1989 nach Österreich gekommen. Was bedeutet für Sie der Begriff „Heimat“?
Ich habe ein Buch geschrieben, in dem ich auch den Begriff Heimat für mich definiert habe. Ich bin in Nigeria geboren, bin dort nach wie vor zuhause, aber ich habe auch eine neue Heimat. Und was brauche ich dazu? Ich brauche Freunde, einen Job, Sicherheit, Menschen, die mich mögen und die mich wahrnehmen. Ich kann hier leben und mich trotzdem nicht wohlfühlen. Das heißt, der Ort, an dem ich mich wohl fühle, ist für mich Heimat und um sich wohl zu fühlen gehören auch Dinge wie Respekt, Wahrnehmung und Akzeptanz dazu.
Wie kann Integration zu einer Win-Win-Situation werden?
Das Wort „Integration“ wird sehr oft verwendet und die Menschen, wissen oft gar nicht mehr, was man von ihnen verlangt. Denn Integration ist nicht nur, dass wir die Sprache lernen. Das ist nämlich nicht genug. Auch nicht, dass ich einen Job habe. Das ist sehr wichtig, denn diese zwei Dinge helfen uns, weiterzukommen, damit man sich wohl fühlt und dass man das Gefühl hat, dazuzugehören – aber das ist noch nicht alles. Für mich ist Integration gut, aber besser ist das Wort „Inklusion“, denn es bedeutet, dass man ein Teil der Gesellschaft ist, dass man gleichwertig ist. Ich bin da, du bist da und wir haben die gleichen Rechte, Pflichten und Ansprüche. Das ist für mich Integration, aber im weiteren Sinne dann Inklusion. Das braucht man, damit man sich heimisch fühlen kann. Das hält alles zusammen.
Sie sind in Ihrer Funktion bei ISOP regelmäßig in Schulen, um bei Kindern und Jugendlichen Bewusstsein für das Thema Integration zu schaffen. Kann man Integration lernen? Und wenn ja, wie geht man didaktisch vor?
Ich mache die Arbeit, um Kindern dabei zu helfen, Ängste abzubauen, Scheu abzubauen, den Kindern klarzumachen, dass die Welt anders ist als nur das, was man in Hartberg, in St. Margarethen oder in Bruck an der Mur kennt. Ich will den Kindern zeigen, dass die Hautfarbe eines Menschen nichts über ihn aussagt. Dafür gehe ich auch in die Schule, ich gehe ins Gymnasium, in die Volksschule, ich bin auch bei der Polizei, bei Lehrerinnen und Lehrern, Tagesmüttern und -vätern, also bei Menschen, die mit anderen Menschen arbeiten, um den Leuten zu sagen, dass unsere Gesellschaft anders geworden ist. Wir leben im Jahr 2022 und dass ich schwarz bin, heißt nicht, dass ich nicht von hier sein kann.
Vorurteile gibt es ja leider viele und basieren oft auch auf Unwissenheit. So erklären sich kleine Kinder ja manchmal die schwarze Hautfarbe damit, dass jemand zu lange in der Sonne gewesen sei.
Kinder sind sehr leichtgläubig, deshalb müssen Eltern und Erwachsene auch aufpassen, was sie zu ihnen sagen. Ein Kindergarten-Kind hat bei einem Workshop sofort zu weinen begonnen, als es mich gesehen hat. Niemand wusste warum und die Pädagogin hat mit dem Kind sogar weggehen müssen, damit es sich beruhigt. Später hat sie mir erzählt, dass das Kind zu ihr gesagt hat, dass ihm ihre Mutter gesagt hätte, dass es neben einem Schwarzen nicht sitzen dürfe, weil die alle stinken. Das war schon sehr verletzend. Aber woher kommen diese Vorurteile? Von Erzählungen und Berichtenanderer, oder von Filmen, die man sieht? Als ich noch in Nigeria lebte, war auch das Vorurteil weit verbreitet, dass Europäer stinken, weil man sie in Filmen nie duschen sieht. Darum sind Kennenlernen, Wissen und verstehen notwendig, um etwas beurteilen zu können.
Was sind bei der Integration von Menschen in einem fremden Umfeld die größten Herausforderungen?
Sich zu integrieren und anzupassen ist nicht so einfach. Ich bin mit 24 von zuhause weggegangen und habe davor viel von meinen Eltern gelernt – in Bezug auf Werte und Dinge, die in Afrika und Nigeria wichtig waren. Wenn ich hierherkommen und genau so leben würde, wie man es mir beigebracht hat, dann hätten einige Österreicherinnen und Österreicher, die meine Kultur, meine Gewohnheiten und Erziehung nicht kennen, vielleicht ein Problem. Ich kann meine Gewohnheiten teilweise ändern und Dinge anders machen, aber um das zu können, brauche ich Kontakt mit Inländerinnen und Inländern. Denn nur, wenn wir uns begegnen, wenn wir Freundschaften und Bekanntschaften schließen, können wir voneinander lernen. Dann wissen beide Seiten, warum gewisse Dinge so gemacht werden, wie man sie eben macht. Und dann kann man manchmal sogar darüber lachen.
Die Vereinten Nationen haben gemeinsam 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung entwickelt, die bis 2030 umgesetzt werden sollen. Wie sehen Sie diese Ziele und welche sind für Sie persönlich am wichtigsten?
Nachhaltigkeit finde ich wichtig. Gerade bei armen Ländern finde ich, dass es wichtig ist, dass man Ländern nicht nur Geld gibt, sondern, dass man auch herausfindet, was man damit gemacht hat und dass man das begleitet. Armut ist natürlich ein wichtiges Thema. Es gibt genug Geld und genug Essen auf der Welt, allerdings gibt es das nur in bestimmten Ländern. Wenn ich nach Nigeria fliege, komme ich immer wieder traurig zurück, weil dort Hunger nach wie vor ein großes Thema ist. Viele Kinder sind gezwungen zu arbeiten und können deshalb nicht in die Schule gehen. Deshalb ist es mir auch wichtig, Kindern zu zeigen, was Fairness und Gerechtigkeit eigentlich bedeuten.
Das Lösen gesellschaftlicher und ökologischer Probleme ist die Kernfunktion von Social Enterprises, die mit ihren Produkten und Dienstleistungen einen positiven gesellschaftlichen Wandel erzeugen möchten. Auch Sie haben aus einer gesellschaftlichen Herausforderung mit Mut und Engagement etwas geschaffen, um einen positiven Impact zu erzeugen.
Jede Reise beginnt mit einem Schritt. Nach der Ermordung George Floyds vor drei Jahren ist in den USA einiges durch die „BlackLivesMatter“-Bewegung passiert, Firmen haben teilweise ihre Namen geändert. Aber: Colin Kaepernick, der erste Sportler, der aus Protest niedergekniet ist, wurde sogar gekündigt und bekam keinen Vertrag mehr. Es war mutig von ihm, das zu machen, aber viele sind bis heute seinem Beispiel gefolgt und es braucht solche Leute, die anderen als Beispiel dienen und das sehe ich auch als eine der Hauptaufgaben von Social Entrepreneuren.
Wie wichtig ist dabei die Vernetzungs- und Unterstützungsfunktion von Organisationen wie dem Social Business Hub Styria?
Sehr wichtig, denn neben unternehmerischem Mut, braucht man auch Begleitung. Ich kann eine Idee haben und mutig sein, aber vielleicht fehlt es mir an Erfahrung. Da braucht es Experten, die mir mit ihrem Know-how helfen können, die mir Brücken bauen und mich dabei unterstützen, mich mit Gleichgesinnten austauschen zu können, damit am Ende etwas Gutes dabei rauskommt.
Zur Person:
Fred Ohenhen wurde am 14.08.1966 in Benin City, Nigeria geboren und absolvierte dort die Ausbildung zum Gymnasiallehrer in den Fächern Englisch und Religion. Nach seiner Flucht nach Österreich 1989 absolvierte er die Unternehmerschule am WIFI Graz und schloss dort auch die College-Ausbildung zum „Diplomierten Außenhandelskaufmann“ erfolgreich ab.
Seit 1999 ist er als Projektleiter für interkulturelle Bildungsarbeit bei ISOP tätig. Ziel seiner Arbeit ist es, Rassismus, Vorurteilsbildung und Ausgrenzung in der Gesellschaft entgegenzuwirken. Das führt ihn hauptsächlich in Schulen und Kindergärten, daneben ist er aber auch als Referent und Workshopleiter für verschiedene Institutionen und Firmen tätig, darunter die Universitäten Graz und Klagenfurt, die Polizeischule Steiermark, Tagesmütter/-vätervereine, das BFI Steiermark und das Rote Kreuz.
Außerdem betätigt er sich auch als Autor von Märchenbüchern bzw. einer Autobiographie „Ein Leben. Zwei Welten“ und als Herausgeber von CDs.
Für sein Engagement und seine Arbeit gegen Rassismus erhielt er u.a. 2015 den Josef Krainer Heimatpreis sowie 2018 das Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark und für das Projekt IKU den Intercultural Achievement Award des Außenministeriums.
2022 wurde ihm vom Bundespräsidenten der Professorentitel zuerkannt.