Caritas-Direktorin Nora Tödtling-Musenbichler engagiert sich als Testimonial bei Awareness-Kampagne für Social Entrepreneurship
Mit Nora Tödtling-Musenbichler unterstützt die Direktorin der Caritas Steiermark die „Wir retten die Welt – Bist du dabei?“-Kampagne des Social Business Hub Styria. Im folgenden Gespräch spricht die 39-Jährige über ein Umdenken in der Gesellschaft, die wichtige Bedeutung von Solidarität in Krisenzeiten und wie kleine Ideen oft zu großen Veränderungen führen können.
Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen unserer Zeit und wie kann man selbst aktiv mithelfen, diese Probleme zu lösen?
Ich glaube, die größte Herausforderung der jetzigen Zeit ist, dass wir von einer Krise in die nächste kommen und wir mittlerweile jüngere Generationen haben, die mit Krisen nicht so vertraut sind wie ältere. Dadurch ist unser Weltsystem ziemlich ins Rütteln gekommen und Menschen beginnen sich Fragen zu stellen. Wie können wir mit Krisen umgehen? Was gibt uns Kraft? Wie können wir uns selbst stärken, aber auch die Gesellschaft und das Miteinander untereinander?“ Darin und im Bauen von Brücken sehe ich aktuell die wichtigsten Aufgaben und zugleich die größte Herausforderung unserer Gesellschaft.
Um das zu erreichen, ist sicher auch ein Umdenken notwendig. Wieviel Mut ist für Veränderungen notwendig?
Ich denke, dass Mut auf jeden Fall das wichtigste Mittel ist, damit Veränderung möglich ist. Und auch Vertrauen – einerseits in andere, andererseits auch in sich und seine eigenen Stärken und Talente. In meiner Biographie war Pfarrer Wolfgang Pucher eine sehr prägende Gestalt. Er hat immer gesagt „Geht nicht, gibt’s nicht“ und dass es zur Veränderung Mut braucht. Wir müssen uns manchmal mehr zutrauen und wir dürfen auch anderen mehr zutrauen, dass sie es schaffen können.
Viele Menschen haben inzwischen eine gewissen Krisenverdrossenheit entwickelt. Was kann man dagegen tun?
Ich finde, wir sind schon an einem Moment angelangt, wo wir sehr viel in Grautönen sehen und nicht mehr in bunten Farben. Ich glaube, eines davon ist, dass wir mehr im „Wir“ denken müssen. Da denke ich auch an Social Entrepreneure, Innovationen und den Gedanken, dass man gemeinsam mehr erreichen kann als als Einzelperson. Da braucht es auch die Zusage von Politik und Gesellschaft. Wenn wir es schaffen, dass die Ungerechtigkeit nicht zu groß wird, dann kann es auch dazu führen, dass die Verdrossenheit nicht weiter zunimmt.
Sie sind seit Juli 2022 Direktorin der Caritas Steiermark, davor waren Sie seit 2021 als Vize-Direktorin im Unternehmen tätig. Was hat Sie nach vielen erfolgreichen Jahren bei den VinziWerken gereizt, diese neue Aufgabe zu übernehmen?
Die Möglichkeit zur Caritas zu gehen war reizvoll, weil es einerseits vielfältig ist, weil es nicht nur um die direkte Nothilfe geht, denn wir haben auch Schulen, Beratung für Schwangere oder Pflegewohnhäuser. Wir sind in ganz vielen Bereichen drinnen – von vor der Geburt bis hin zum letzten Atemzug, wo wir Menschen auch im Sterben begleiten. Das macht es einerseits schön, vielfältig und bunt und andererseits übernehme ich auch gerne Verantwortung. Die Chance, etwas bewegen zu dürfen, etwas gestalten zu dürfen in unserem Land und über die eigene Grenze hinaus zu gehen waren der Anreiz, warum ich es machen wollte.
Wie schaffen Sie es, in Ihrer Position als Direktorin für die Menschen innerhalb der Caritas präsent und nahbar zu sein?
Ich sehe die Caritas als ein Unternehmen der Mitmenschlichkeit und das soll nicht nur für diejenigen spürbar sein, für die wird da sind wie Menschen in Not, ältere Menschen oder Kinder und Schülerinnen, sondern auch nach Innen. Ich sehe in meiner Position als Direktorin keine besondere Stellung, sondern ich bin Teil des Systems und ich übernehme die Hauptverantwortung. Ich bin aber auch sehr froh, dass wir diese Neuorientierung geschafft haben, dass wir jetzt ein Direktorium sind. Das heißt, wir sind einfach drei Menschen, die Verantwortung für die Caritas übernehmen, die wirklich auf Ebenbürtigkeit arbeiten und sich Geschäftsfelder und Verantwortung aufteilen. Wir brauchen den regelmäßigen Kontakt zu unseren Mitarbeitern, Mitarbeiterinnen und Einrichtungen. Es ist unser Ziel, regelmäßig in den Einrichtungen zu sein, um zu spüren, wo die Not ist, wo es Probleme gibt und was sie brauchen.
Bei der Caritas engagieren sich rund 1.500 Menschen ehrenamtlich. Viele sehen darin bestimmt einen Weg etwas Sinnvolles mit ihrer Zeit anzufangen. Wie wichtig sind solche Menschen und ist das Streben nach „Sinn“ des Einzelnen auch eine Chance für die gesamte Gesellschaft?
Das freiwillige Engagement ist ein Zeichen großer Solidarität in unserem Land und die gibt es Gott sei Dank noch immer. Diese Solidarität lebt auch gerade in Krisensituationen, weil manche Menschen spüren, dass es ihnen noch etwas besser geht oder auch die, denen es nicht so gut geht, jetzt sagen, dass sie jetzt erst recht helfen möchten. Und ich glaube dieses „Jetzt erst recht!“ ist der große Bonus, den wir bei freiwilligem Engagement erleben. Die Ehrenamtlichen leisten Unglaubliches und das ist auch wirklich der Mehrwert unserer Gesellschaft, aber auch der Mehrwert, den wir in der Caritas erleben.
Social Entrepreneure sind auch Menschen, die etwas im positiven Sinn verändern möchten. Wie wichtig sind solche Personen für unsere Gesellschaft?
Das Wichtige ist, dass wir in unserer Gesellschaft nicht Dienstleister:innen und Unternehmen haben, die einfach ihre Arbeit abwickeln oder etwas machen, weil es notwendig ist und vielleicht den Profit nur im Hintergrund sehen. Stattdessen sehen sie, dass es mehr gibt. Und der Mehrwert ist für mich bei Social Entrepreneurship das Um und Auf, weil es darum geht, Lösungen für soziale, ökologische und gesellschaftliche Probleme zu entwickeln und das aber auch mit einem Profit-Denken. Ich finde, das ist eine großartige Lösung und auch ein wichtiger Schritt in eine neue Richtung. Ich glaube, dass es Innovation braucht und dieses neue Denken, das nicht nur in der eigenen Firma aufhört, sondern das weit darüber hinaus geht, über Grenzen und Länder hinweg. Es geht bei Social Entrepreneurship ja wirklich um große Veränderungen, die ganz klein anfangen und die Vorbilder sind für vieles und das werden wir immer mehr brauchen, denn wir brauchen Köpfe und vor allem Menschen die Verantwortung übernehmen wollen.
Wie wichtig ist dabei die Vernetzungs- und Unterstützungsfunktion vom Social Business Hub Styria?
Was ich toll finde ist, dass es ein Netzwerk ist, wo man sich austauschen kann, wo man auch kompetent Fragen beantwortet bekommt, denn oft ist der erste Impuls, dass man etwas verändern möchte und nicht so sein will wie die anderen. Man hat eine Idee, aber man weiß noch nicht, wo sie einen hinführt. Es ist darum wichtig, Menschen zusammenzubringen, die gute Ideen haben, Know-how einzubringen. Aber auch diese Hilfestellung ist wichtig, in der ihnen gezeigt wird, wie es gehen kann. Umso wichtiger finde ich, dass es den Social Business Hub Styria gibt, weil hier mithilfe von Unterstützung, Know-How und auch Vertrauen aus einer Idee etwas Konkretes werden kann.
Zur Person:
Nora Tödtling-Musenbichler (geboren am 05.01.1983 in Knittelfeld) ist seit Juli 2022 Direktorin der Caritas Steiermark. Sie studierte einige Semester Theologie an der Karl-Franzens-Universität Graz und absolviert derzeit einen Masterlehrgang in „Social Management“. Schon ihrer Schulzeit war sie als Gymnasiastin in Knittelfeld Initiatorin eines Lernprojekts für benachteiligte Schüler*innen, für das sie mit der Humanitas Medaille geehrt wurde. Von Pfarrer Wolfgang Pucher wurde sie in die „VinziWerke“ nach Graz geholt, wo sie in insgesamt 17 Jahren in verantwortlichen Positionen und zuletzt elf Jahre als Koordinatorin der „VinziWerke Österreich“. Im September 2021 erfolgte der Wechsel zur Caritas Steiermark, wo sie anfangs die Position der Vize-Direktorin innehatte, bevor sie im Juli 2022 ihre aktuelle Stelle an der Spitze der Organisation antrat.